Die demokratische Revolution von 1848/49 | Kreis Warendorf

Chance und Scheitern: die demokratische Revolution von 1848/49

Alle Spannungen und Hoffnungen des politischen und sozialen Lebens der Deutschen bündeln sich in dem Aus- und Aufbruch der großen deutschen Revolution“ (Thomas Nipperdey, Deutsche Geschichte 1800-1866, S. 595.) – so können die Ereignisse von März 1848 bis Mitte 1849 gedeutet werden.

 

Die Umbrüche in der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert sind gewaltig: mit der industriellen Revolution kommen Dampfmaschine, mechanische Spinnerei und Hüttenwerk nach Westfalen. 1847 erreicht auch die Eisenbahn den Kreis Beckum. Gleichzeitig verschlimmert sich mit dem Niedergang des Textilgewerbes (z.B. in Freckenhorst) und den Markenteilungen die Armut vieler Menschen.

 

Diesen Herausforderungen ist die Politik nicht gewachsen. „Deutschland“ als Staat gibt es nicht, sondern nur ein aus 41 Einzelmonarchien bestehender Deutscher Bund. In Preußen, zu dem die Kreise Warendorf und Beckum seit 1816 endgültig gehören, bleiben die notwendigen politischen und sozialen Reformen aus – dies begünstigt die Revolution erst.

 

Im landwirtschaftlich geprägten Münsterland bleibt es im Vergleich zu anderen Regionen lange ruhig. „Trotz der herrschenden Not zufriedenstellend“, lautet im Mai 1847 ein amtlicher Lagebericht aus Evers­winkel.

 

Links ist ein Schlüsseldokument der 1848er-Revolution zu sehen: der Aufruf „An mein Volk“ des preußischen Königs.

Im März 1848 wird aber bereits aus Wadersloh berichtet, dass sich „die allgemeine Aufregung auch hierhin verbreitet“ hat (s. rechts).

 

Außerdem meldet man das „Abreißen eines Adlers“ als Symbol Preußens und das „Demoliren“ von Häusern. In Beckum ziehen Soldaten der Landwehr (einer Art Reservearmee vor Ort) unter Freiheitsrufen und mit einer schwarz-rot-goldenen Flagge durch die Stadt. Nicht zuletzt aufgrund Alkoholeinflusses kommt es zu einigen Sachbeschädigungen.

 

In Ahlen läuft eine Eisenbahner-Versammlung zwar friedlich ab, der Bürgermeister berichtet jedoch davon, dass die Arbeiter „dem Vernehmen nach Pistolen, Messer, Beile unter ihren Kitteln“ gehabt hätten. Hier zeigt sich, welche Rolle Gerüchte und Mutmaßungen spielten – in der Realität gibt es in der Region keine nennenswerten Gewalttaten.

Warendorfer Adresse an die Stadt Berlin

Auf die Ereignisse in Berlin – Barrikadenkämpfe und politische Zugeständnisse des preußischen Königs – wird auch in Warendorf lebhaft reagiert, wie die nebenstehende „Warendorfer Adresse an die Stadt Berlin“ zeigt.

Gründung politischer Vereine

In vielen Orten bilden sich nun Vereine mit ganz unterschiedlichen Zielsetzungen, so etwa ein katholischer Verein in Warendorf oder ein politischer Verein in Oelde.

Die ersten freien Wahlen

Im Mai 1848 finden erstmals in ganz Deutschland allgemeine, gleiche und freie Wahlen statt. Was heute selbstverständlich erscheint, ist damals eine absolute Neuigkeit: zum ersten Mal dürfen alle volljährigen Männer ihre Stimme abgeben, um ein gesamtdeutsches Parlament (die „Paulskirchenversammlung“) zu wählen – unabhängig von Stand, Einkommen oder Religion. Die Gemeinden stehen damit schlagartig vor der organisatorischen Herausforderung, Wählerlisten (s. Ausschnitt rechts) aufzustellen.

Auch die Wahl selbst ist eine enorme Organisationsleistung. Sie erfolgt indirekt, d.h. für je 500 Wahlberechtigte wird ein Urwahlbezirk gebildet, so dass jede Gemeinde zwischen einem (z.B. Vohren, Gröblingen) und acht Wahlmänner (Warendorf) bestimmt.

 

Alle Wahlmänner eines Wahlkreises von 50.000 Einwohnern wiederum wählen einen Abgeordneten für die Nationalversammlung aus ihrer Mitte. Die Wahlbeteiligung schwankt zwischen 10% (Ostenfelde) und 90% (Harsewinkel) – kann aber insgesamt als hoch bezeichnet werden, denn die Wahl findet an einem Wochentag statt.

 

In Sassenberg weigert sich eine aufgebrachte Menge, wie im Wahlgesetz vorgeschrieben in zwei getrennten Bezirken (so auch heute üblich) zu wählen und stürmt das Wahllokal. Die Wahl muss daher später für ungültig erklärt werden.

 

Gewählt werden in den Wahlbezirken des heutigen Kreises Warendorf im wesentlichen gemäßigte Abgeordnete, mehrheitlich Geistliche und Juristen. Dabei werden in die Paulskirchenversammlung nur von außerhalb der Region stammende Kandidaten entsandt, so etwa ein Bonner Juraprofessor. Aus dem Kreisgebiet stammen allerdings die Abgeordneten zur Preußischen Nationalversammlung, der Diestedder Pfarrer Westhoff und der Freckenhorster Pfarrdechant Schulte.

Das Ende der Revolution

Im Herbst 1848 wendet sich das Blatt der Revolution. Die Kräfte der Reaktion gewinnen immer mehr die Überhand und setzen sich auch bei militärischen Auseinandersetzungen gegen die demokratische Bewegung durch. Mit einem Staatsstreich von oben wird Anfang Dezember 1848 das preußische Parlament aufgelöst (s. links).

 

Dies sorgt auch bei den gemäßigten Akteuren für Empörung und trägt zu einer Radikalisierung bei. Getragen von einer antipreußischen Stimmung bekommen die Kandidaten der Demokraten bei den Neuwahlen im Januar 1849 in der Region 80% der Stimmen.

In Warendorf stellen sie 13 von 17 Wahlmännern.

 

Mit dem Sieg der Gegenrevolution werden auch die errungenen Bürgerrechte wieder einkassiert: Pressefreiheit und Versammlungsrecht werden stark eingeschränkt, Zensur und staatliche Überwachung treten wieder auf die Tagesordnung. Doch die Erinnerung an die 1848er-Bewegung bleibt bis weit in das 1871 gegründete Kaiserreich wach. Auch die erfolgreichen demokratischen Revolutionäre von 1918 sollten sich auf die Ideale von 1848 berufen.




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