Pflegekinderdienst | Kreis Warendorf
Pflegekinderdienst des Amtes für Jugend und Bildung des Kreises Warendorf
Inhalt:
1. Begriffserklärung: Was ist der Pflegekinderdienst ?
2. Formen eines möglichen Pflegeverhältnisses
Bereitschaftspflege
Kurzzeitpflege
Dauerpflege
Ziele der Bewerbervorbereitung
Rahmenbedingungen und Eignungskriterien für BewerberInnen
Benötigte Unterlagen
Bewerbungsverfahren
6. Betreuung der Pflegefamilien
7. Betreuung der abgebenden, leiblichen Eltern
Für BewerberInnen / Pflegeeltern
Für Kinder
Begriffserklärung: Was ist der Pflegekinderdienst?
Den Fachkräften des Pflegekinderdienstes obliegt die Aufgabe, bei Notwendigkeit Kinder und Jugendliche in eine Pflegefamilie zu vermitteln, welche eine neue Lebensperspektive außerhalb ihrer Herkunftsfamilie benötigen. Dafür schulen die MitarbeiterInnen interessierte BewerberInnen. Nach erfolgter Vermittlung beraten und unterstützen die MitarbeiterInnen des Fachdienstes die Pflegefamilien. Darüber hinaus arbeiten sie mit den abgebenden Eltern zusammen.
Formen eines möglichen Pflegeverhältnisses
Bei der Vollzeitpflege in einer Familie unterscheiden die MitarbeiterInnen des Fachdienstes zwischen verschiedenen Formen:
Bereitschaftspflege
Die Bereitschaftspflege ist ein Angebot der Jugendhilfe nach dem § 42 SGB VIII. Sie dient dem Kindesschutz und findet Verwendung in akuten Notsituationen wie z.B. bei psychischer Erkrankung oder Suchtproblematik der Erziehungsberechtigten sowie bei unmittelbarer Kindeswohlgefährdung z.B. durch Verwahrlosung.
Da es sich um eine Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen handelt, wird die Bereitschaftspflege in Zusammenarbeit mit dem Allgemeinen Sozialen Dienstes des Jugendamtes betreut.
Kurzzeitpflege
Die Kurzzeitpflege ist eine Hilfe zur Erziehung gemäß § 33 SGB VIII. Kinder und Jugendliche leben für eine Übergangszeit in der Pflegefamilie. Sie haben Ihren Aufenthalt nur so lange dort, bis fachlich und/oder gerichtlich entschieden wurde, ob sie in die Herkunftsfamilie wieder zurückkehren oder ihnen in einer Heimeinrichtung bzw. bei einer Pflegefamilie auf Dauer eine neue Lebensperspektive ermöglicht werden kann.
Der Kurzzeitpflege geht in der Regel eine kritische familiäre Lebenssituation voraus, in welcher die Betreuung und Erziehung des Kindes nicht sichergestellt ist. Dies kann zum Beispiel eine längere Krankheit der Erziehungsberechtigten oder eine Überforderungssituation eines oder beider Elternteile sein. Manchmal bitten auch leibliche Eltern um eine Kurzzeitpflege, da sie sich für einen bestimmten Zeitraum nicht in der Lage sehen, die elterliche Sorge wahrzunehmen.
Dauerpflege
Auch die Dauerpflege ist eine Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege gemäß § 33 SGB VIII. Hier nimmt die Pflegefamilie eine familienersetzende Funktion ein, weil die Herkunftsfamilie des Kindes nicht in der Lage ist das Kindeswohl zu gewährleisten. Ziel der dauerhaften Vollzeitpflege ist es, den betroffenen Kindern und Jugendlichen in einem geschützten Raum den Aufbau neuer Eltern-Kind-Beziehungen zu ermöglichen und durch korrigierende Erfahrungen ihr Entwicklungspotential entfalten zu können. Dies geschieht im Rahmen der Möglichkeiten mit oder ohne Einbeziehung der Ursprungsfamilie. Eine Dauerpflege hält meist bis zur Volljährigkeit des Pflegekindes an.
Mit der Konzipierung dieses flexiblen Systems wird demnach eine geeignete Alternative zu stationären Unterbringungsformen geschaffen.
Ausgangslage
Die Vermittlung eines Kindes oder Jugendlichen in eine Pflegefamilie ist abhängig von der Lebenslage und dem erzieherischen Bedarf des Kindes. Der Vermittlungsbedarf bezieht sich auf sehr kleine Kinder, deren Mütter und Väter sich in einer Krisen oder Notlage befinden bis hin zu älteren Kindern und Jugendlichen aus schwierigen, konfliktbehafteten sozialen Milieus. Daher können die Anforderungen an die Pflegeeltern hinsichtlich ihrer Fähigkeiten und Fertigkeiten sehr verschieden sein.
Die Erziehung von Kindern und Jugendlichen außerhalb der leiblichen Familie stellt demnach eine besondere Herausforderung dar. Diese Hilfe ist mit Blick auf den vorgefundenen Bedarf im Einzelfall differenziert und unterschiedlich intensiv zu gestalten. Hierzu ist folgender gesetzlicher Auftrag formuliert:
§ 33 SGB VIII
Hilfen zur Erziehung in Vollzeitform sollen Kindern und Jugendlichen, entsprechend ihres Alters, Entwicklungsstands und ihrer persönlichen Bedingungen, in einer anderen Familie eine zeitlich befristete Erziehungshilfe oder eine auf Dauer angelegte Lebensform bieten. Sie sollen zudem Möglichkeiten der Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie schaffen.
§ 36 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII
Der §36 des Kinder- und Jugendgesetzes beinhaltet die Überprüfung vor und während einer langfristig zu leistenden Hilfe außerhalb der eigenen Familie, ob die Annahme als Kind in Betracht kommt. Bei einer Adoption eines Minderjährigen müssen die leiblichen Eltern zustimmen.
Bewerbervorbereitung
Ziele der Bewerbervorbereitung
Ziel der Bewerbervorbereitung ist es, einen Pool zahlreicher potentieller Pflegeeltern mit den unterschiedlichsten Kompetenzen und Ressourcen zur Verfügung stellen zu können. Hintergrund ist hierfür die Sicherstellung von zeitnahen, bedarfsorientierten Vermittlungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche in spezifischen, konfliktbehafteten Lebenslagen.
Der Fachdienst arbeitet darauf hin, dass Pflegefamilien in der Lage sind, Kinder und Jugendliche unterschiedlicher Herkunft sowie aus individuellen und sozialen Konfliktlagen zeitlich befristet oder auf Dauer aufzunehmen. Sie sollen für die unterschiedlichen Lebensgeschichten und Bedürfnisse von Kindern sensibilisiert werden. Es wird angestrebt für jedes betroffene Kind die passende Pflegefamilie zu finden. Wir suchen demnach Pflegeeltern für:
- Kinder und Jugendliche, deren Eltern auf Grund der persönlichen Lebenssituation nicht für selbst für ihre Kinder sorgen wollen
- Kinder und Jugendliche, mit (schwerwiegenden) traumatischen sowie belastenden Lebenserfahrungen, deren Eltern tatsächlich nicht in der Lage sind, die Versorgung und die Erziehung ihres Kindes sicherzustellen
- Kinder und Jugendliche, die auf Grund einer familienrechtlichen Entscheidung (§ 1666 a, 1666 Bürgerliches Gesetzbuch) aus der Herkunftsfamilie herausgelöst wurden
Rahmenbedingungen und Eignungskriterien für BewerberInnen
Im Hinblick auf die anspruchsvollen Aufgaben als Pflegeeltern sollten die BewerberInnen verfügen über:
- Gefestigte Persönlichkeit
- Stabilität der Partnerschaft
- Erziehungsfähigkeit
- Eigene Lebenszufriedenheit/-ziele
- Kooperationsbereitschaft
- Reflexionsfähigkeit
Rahmenbedingungen wie zum Beispiel Wohn- und Lebensformen (leibliche Kinder, Lebensgemeinschaft etc.) oder Berufstätigkeit werden in persönlichen Gesprächen individuell in den Blick genommen.
Benötigte Unterlagen
Die folgenden notwendigen Unterlagen werden in verschiedenen Abschnitten des Bewerbungsverfahrens erbeten:
- Ausführlicher Lebenslauf mit Darstellung der Lebensgeschichte und der Beweggründe für die Aufnahme eines Kindes (inkl. aktueller Fotos)
- Ärztliches Gesundheitsattest
- Führungszeugnis gemäß § 30a Bundeszentralregistergesetz
Bewerbungsverfahren
Das Bewerbungsverfahren dauert mindestens ein Jahr und setzt sich zusammen aus:
- Informationsgespräch
- Persönliche Einzel- und Paargespräche
- Bewerberseminar (sechs Kursabende)
Weitere Einzelheiten hierzu erfahren Sie beim Team des Fachdienstes.
Vermittlungsverfahren
Benötigt ein Kind eine neue Lebensperspektive in einer Pflegefamilie, sucht der Fachdienst unter den vorbereiteten Pflegeelternbewerbern dasjenige Paar heraus, welches am besten geeignet scheint, den speziellen Bedürfnissen dieses Kindes gerecht zu werden.
Umfassende Informationen zum Kind, die erste persönliche Begegnung und die Entwicklung einer auf gegenseitiger Sympathie beruhenden anfanghaften Beziehung sind wichtige Schritte im Vermittlungsprozess.
Erst wenn das Kind erkennen lässt, dass es sich auf das Beziehungsangebot der Pflegeeltern einlässt, wird ein Wechsel des Kindes aus der aktuellen Lebenssituation (in der Kurzzeitpflege oder im Heim) in seine neue Familie gestaltet. Wie lange dieser Prozess andauert, hängt daher vom Alter und von der Entwicklung des Kindes ab.
Betreuung der Pflegefamilien
Zu den wichtigsten Aufgaben des Fachdienstes gehören die professionelle und kontinuierliche Beratung und Betreuung der Pflegeeltern und Pflegekinder. Neben der Möglichkeit, bei Bedarf ein Gesprächstermin im Kreisjugendamt oder in der häuslichen Umgebung der Pflegefamilie wahrzunehmen, finden regelmäßig Hilfeplangespräche statt. In diesem Rahmen wird auch der Bedarf des Kindes an zusätzlichen Hilfen für seine Entwicklung thematisiert.
Des Weiteren bietet der Fachdienst den Pflegeeltern Gelegenheiten zum gemeinsamen Austausch und Fortbildung an:
- Fortbildungen mit thematischen Schwerpunkten (z.B. Biografiearbeit, Pubertät, Traumatisierung, Kontakte mit der Herkunftsfamilie, Beziehung zwischen leiblichen Kindern und Pflegekindern)
- Jährliches Sommerfest
- Aktionen für Kinder und Jugendliche
Zur Begleitung der Pflegefamilien gehört ebenso die Gestaltung von Umgangskontakten des Pflegekindes mit Personen seiner Herkunftsfamilie.
Betreuung der abgebenden, leiblichen Eltern
Da die Abgabe bzw. eine Herausnahme eines Kindes für leibliche Eltern eine schwierige und zuweilen lang anhaltende traumatische Erfahrung darstellen kann, bietet der Fachdienst den leiblichen Eltern auch während des Pflegeverhältnisses Unterstützung und Hilfestellung bei der Bewältigung etwaiger Probleme an. Die MitarbeiterInnen des Fachdienstes begleiten die Eltern ebenso bei einer angestrebten Rückführung des Kindes in die Herkunftsfamilie.
Finanzierung
Die Pflegefamilien erhalten ein monatliches Pflegegeld, welches sich aus den Kosten für den Unterhalt des Kindes und einem Erziehungsbeitrag zusammensetzt. In die Höhe des Pflegegeldes fließen unter anderem das Alter und der Entwicklungsstand bzw. der pädagogische Bedarf des Kindes ein.
Literaturhinweise zum Weiterlesen
Für BewerberInnen / Pflegeeltern
Bundesverband der Pflege- und Adoptivfamilien e.V. (Hrsg): Handbuch für Pflege- und Adoptiveltern, Pädagogische, psychologische und rechtliche Fragen des Adoptions- und Pflegekinderwesens; 6. überarb. Auflage 2003. Idstein: Schulz-Kirchner-Verlag.
Linnenbrink, Ulrike (1995): Stephan. Geschichte eines Pflegekindes. Münster: Votum- Verlag.
PFAD Bundesverband der Pflege- und Adoptivfamilien e.V. (Hrsg.) (2006): Informationen für Adoptiveltern und Adoptionsbewerber. Frankfurt a.M.
Stiftung zum Wohl des Pflegekindes (Hrsg.) (2004): 3. Jahrbuch des Pflegekinderwesens: Kontakte zwischen Pflegekind und Herkunftsfamilie. Idstein: Schulz-Kirchner Verlag.
Stiftung zum Wohl des Pflegekindes (Hrsg.) (2006): Bindung und Trauma - Konsequenzen in der Arbeit mit Pflegekindern. Tagungsdokumentation der 16. Jahrestagung der Stiftung zum Wohl des Pflegekindes am 30. Mai 2005 in Marburg. Idstein: Schulz-Kirchner Verlag.
Stiftung zum Wohl des Pflegekindes (Hrsg.) (2007): 4. Jahrbuch des Pflegekinderwesens: Verbleib oder Rückkehr?! Perspektiven für Pflegekinder aus psychologischer und rechtlicher Sicht. Idstein: Schulz-Kirchner Verlag.
Für Pflegekinder
Jeschke, Tanja/ Garbert, Jutta (2007): Mama, Papa und Zanele. Stuttgart: Gabriel Verlag .
Korschunow, Irina (1986): Der Findefuchs: Wie der kleine Fuchs eine Mutter bekam. München: Deutscher Taschenbuch Verlag.
Text: Diana Beeg
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